Schreibregeln? Müssen die sein? Ich sage: jein. Daher eines vorweg: Schreibregeln sind selbst bei einem Sachbuch kein Naturgesetze. Die wichtigsten solltest du kennen, damit du sie anwenden oder bewusst ignorieren kannst. Mehr aber auch nicht. Wie du nach der Lektüre dieses Artikels unschwer feststellen kannst, halte ich mich selbst nicht sklavisch daran. Vor allem: Wenn du gerade so richtig im Schreibflow bist, verschwende bloß keinen Gedanken ans „richtige“ Schreiben. Mit den Regeln kannst du dich beim Überarbeiten deines Textes immer noch ausgiebig beschäftigen, davor blockieren sie dich nur. In diesem Artikel stelle ich dir meine persönliche Schreibregel-Auswahl vor. Doch zuerst: Schreib!
Stressfrei anfangen
Menschen, deren Beruf nichts mit der schreibenden Zunft zu tun hat, plagen sich oft schon mit dem ersten Satz. Dann sitzen sie vor dem blinkenden Cursor und tippen kein einziges Wort. Oder sie klopfen etwas in die Tastatur, löschen es und fangen von vorne wieder an. Immer und immer wieder. Weil sie wollen, dass schon der erste Satz perfekt ist. Dabei muss er das gar nicht sein! Hauptsache, du fängst an. Den ersten Satz kannst du später noch umschreiben. Oft ergibt er sich sogar von selbst. Also, lass dich nicht stressen: Schreib einfach drauflos!
Der erste Entwurf muss nicht schön sein
Sei nachsichtig mit dir selbst: Niemand sieht deinen ersten Entwurf. Daher ist es völlig egal, ob du Interpunktion und Grammatik ignoriert hast, misslungene Metaphern oder Vergleiche aus der Hölle eingebaut hast. Es ist auch egal, ob es auf einer Seite mehr Lücken als Text gibt, weil du etwas recherchieren musst.
Selbst beim Meisterautor Stephen King bekommt den ersten Entwurf absolut niemand zu Gesicht. Nicht einmal seine Frau. Also geh es locker an: Niemand erwartet, dass du besser schreibst als Stephen King.
Was du über Schreibregeln wissen musst
Es gibt keine Strafe fürs Nichteinhalten! Betrachte sie als Hilfsmittel. Analysiere deine Texte anhand dessen, was Autor:innen und Lektor:innen über die Jahre herausgefunden haben. Wenn die Ergebnisse aus deiner Sicht nicht sinnvoll sind oder nicht zu dir und deinem Stil passen: Dann pfeif drauf!
Der springende Punkt ist: Dein Text bzw. ein ganzes Buch muss die Leser:innen in Bann ziehen, sodass sie dein Werk nicht mehr aus der Hand legen können, bis sie auf der letzten Seite angelangt sind. Wenn es aber irgendwo holpert, solltest du diese Stelle nach allen Regeln der Kunst analysieren.
Wann du dich um die Schreibregeln für dein Sachbuch kümmern solltest
Vor der Überarbeitungsphase haben sie absolut nichts in deinem Kopf zu suchen! Ob du zuerst das ganze Buch in der ersten Rohfassung zu Ende bringst oder kapitelweise überarbeitest, bleibt dir überlassen.
Auf jeden Fall solltest du mindestens eine Nacht über deinen Entwurf schlafen, idealerweise mehrere. Kümmere dich dazwischen um andere Projekte, mach Sport, geh ins Kino. Hauptsache, der Text spukt dir nicht im Bewusstsein herum. Dein Unterbewusstsein arbeitet in dieser Zeit ohnehin für dich. Das ist ziemlich praktisch!
Wenn du dich das nächste Mal an dein Werk setzt, hast du sicher eine Menge neuer Ideen im Kopf und außerdem einige Verbesserungsmöglichkeiten entdeckt, die ganz unbewusst in dir gereift sind. Arbeite sie ein. Dann legst du den Text am besten wieder für ein paar Nächte beiseite. Erst danach ist es Zeit zu schauen, wo es hakt. Wenn du nicht auf Anhieb weißt, was das Problem ist, geh im Kopf ein paar Schreibregeln durch.
Meine 13+1 Schreibregeln für dich und dein Sachbuch
- Begib dich in die Rolle deiner Leser:innen: Holst du sie wirklich ab? Setzt du (zu) viel voraus? Interessiert sie das überhaupt?
- Halte dich an den roten Faden: Das gilt nicht nur für das Buch an sich, sondern auch für die einzelnen Kapitel. Wenn dich etwas stört, frag dich, ob es überhaupt hierhergehört bzw. grundsätzlich für dein Buch relevant ist.
- Wichtiges zuerst: Warte mit deiner Botschaft nicht bis zum Ende des Kapitels oder Absatzes, sondern platziere sie gleich. Am Ende des Kapitels kannst du sie in der Zusammenfassung wiederholen. Das gilt übrigens genauso für Sätze: Die Kernbotschaft gehört in den Haupt-, nicht in den Nebensatz.
- Baue Auflockerungselemente ein: Dazu zählen Geschichten, Fallbeispiele, Zitate, Aufzählungen, Infokästen, Checklisten.
- Verwende Alltagssprache, die liest sich nämlich viel einfacher. Überlege immer: Würde ich das auch so sagen, wenn ich es einer Freundin erzähle?
- Erspare dir sämtliche Floskeln und Buzz Words: Bitte sei kein „zuverlässiger Partner“, der „nicht mehr wegzudenken“ ist und „lege deinen Fokus bitte nicht auf Innovation“, selbst wenn dir „Nachhaltigkeit wichtig“ ist.
- Und noch mal extra: Bitte, bitte erspare dir Marketing-Sprech: Ich sag nur: überragendes Angebot, fabelhafte Preise, fantastisches Ambiente.
- Sei konkret: Du kannst schnell zum Geschäft laufen, bevor es schließt. Alternativ sprintest du vielleicht erst um eine Minute vor 20 Uhr los, damit du es gerade noch in den Laden schaffst, bevor der Security-Mann die Tür verriegelt. Du kennst diese Regel vielleicht unter der Formulierung „show, don’t tell“.
- Reduziere passive Sätze: Sag lieber, wer was gemacht hat. Oder gefällt dir dieser Satz? Das Buch wurde von der Expertin mit externer Hilfe geschrieben und dabei fachlich überarbeitet, bevor es veröffentlicht wurde. Eben!
- Vermeide Nominalstil, also Sätze, in denen ganz viele Substantive vorkommen. Der folgende ist z. B. kein schöner Satz: Die Inanspruchnahme professioneller Unterstützung durch die Beauftragung eines Ghostwriters zur Umsetzung der Buchveröffentlichung in Verbindung mit der strategischen Positionierung der eigenen Expertise stellt eine effektive Maßnahme zur Steigerung der Sichtbarkeit und zur Förderung der Markenbildung dar.
- Wechsle zwischen kurzen, ganz kurzen und längeren Sätzen ab, aber vermeide Schachtelsätze! Laut der Deutschen Presseagentur (DPA) liegt die optimale Verständlichkeit bei Sätzen mit neun Wörtern. Es darf aber auch mal ein bisschen länger sein!
- Achte auf die Adjektive. Über dieses Thema könnte ich einen eigenen Blogartikel schreiben, weil es sooooo viel dazu zu sagen gibt. Mark Twain hat einmal gesagt: „Wenn du ein Adjektiv triffst, bring es um.“ Das ist natürlich ein bisschen gar hart. Dennoch gilt (Achtung Floskel!): Weniger ist mehr. Frag dich: Brauchst du dieses Adjektiv, um etwas zu beschreiben? Verliert der Text, wenn du es weglässt? Wertende Adjektive (siehe Punkt Marketing-Sprech) sind generell keine gute Idee. Diese Regel kannst du genauso auf Adverbien anwenden.
- Eliminiere Füllwörter: Da sitze ich selbst im Glashaus (oje, schon wieder eine Floskel!) und weiß ganz genau, wovon ich spreche: Auch, doch, eigentlich, tatsächlich, nämlich, übrigens, vielleicht, dann, also und viele mehr nutze ich gerne. Manchmal geben sie einem Satz eine bestimmte Nuance, oft nicht. Immer, wenn sie nichts zur Bedeutung beitragen, kannst du sie streichen.
+1. Und wenn du schon beim Eliminieren bist: Nimm die Wortwiederholungen gleich mit! Für fast alles gibt es Synonyme oder Umschreibungen.
Alles halb so wild!
Bevor du dich jetzt erschlagen fühlst, weil ich dir so viele Schreibregeln für dein Sachbuch vor den Latz geknallt habe, entspann dich. Die KI kann dir bei vielem helfen. Sogar die einfache Word-Suche. Ich lasse meine Lieblingsfüllwörter, wie z. B. „auch“ von Word suchen – und bin regelmäßig entsetzt, wie viele sie findet. Die KI spürt außerdem Passivkonstruktionen, Nominalstil und Buzz Words ganz leicht für dich auf. Sichte die Ergebnisse und entscheide, ob du deine Formulierungen ändern möchtest oder nicht. Wenn du Synonyme brauchst, nutze Websites wie Open Thesaurus.
Ein bisschen Selbstdenken bleibt dir trotzdem nicht erspart: Ob du deine Zielgruppe gut genug ansprichst und ob für sie ein roter Faden erkennbar ist, würde ich die KI nicht fragen, obwohl sie sicher eine „Meinung“ dazu hat. Hast du Zweifel an dir selbst, suchst du dir am besten zwei bis drei Testleser:innen. Aber bitte nicht deine beste Freundin oder deinen Bruder, sondern jemanden aus der Zielgruppe! Alternativ kannst du natürlich einen Buchcoach oder einen Ghostwriter fragen!
Denk daran, dass der beste Text, den du schreiben kannst, nach deiner eigenen Überarbeitung noch lange nicht fertig ist. Denn ohne ein gutes Lektorat bzw. Korrektorat solltest du ihn keinesfalls veröffentlichen. Wäre auch schade, denn erst ein:e Lektor:in macht aus deinem Rohdiamanten ein echtes Schmuckstück.
Was ich vielleicht noch ergänzen sollte: Eine korrekte Rechtschreibung ist nicht verhandelbar!
Möchtest du bereits Unterstützung davor oder willst du dich lieber um dein Sachbuch und nicht um die Schreibregeln dafür kümmern? Kein Problem! Lass uns reden – gemeinsam finden wir eine Lösung!